Waldeck
Eine Konzentrationslager-Überlebende wendet sich an den Journalisten Ferdinand Broich, weil sie einen ehemaligen SS-Arzt auf der Straße erkannt hat. Er will sie in München treffen. Doch als er dort ankommt, ist die Frau verstorben, wurde schon bestattet
und ihr bescheidener Nachlass ist schon entfernt. Alles sehr schnell, obwohl die Frau nach Kenntnis ihrer Nachbarn keine Angehörigen hatte. Das irritiert den investigativen Journalisten. Derweilen kämpft die 20-jährige Silvia Fischer gegen den Mief in ihrer Familie an. Noch dazu, weil sie einen erfolgversprechenden Juristen heiraten soll. Bei einer Auseinandersetzung stürzt er unglücklich, und Silvia flieht zu einer alten Freundin. Im Gepäck hat sie alte Unterlagen ihres Vaters, die ihre und seine Vergangenheit in einem ganz anderen Licht erscheinen lassen. Silvias Ziel ist das Festival auf der Burg Waldeck im Hunsrück, weil sie dort einen Urlaubsbekannten treffen will. Die alten Freunde des SS-Arztes sind nicht untätig, weil sie befürchten, Fischer alias Tromnau werde zu einer Gefahr, wodurch ihre Identität offenbar werden könnte. Zum Showdown kommt es auf der Burg. Auch die Geschichte der Nebenfigur Mine, einer schwangeren jungen Frau aus dem Nachbarort, findet ein gutes Ende. – An den zwei jungen Frauen zeigt der Autor, wie restriktiv noch vor 60 Jahren die Erwartungen von Familie und Gesellschaft an sie waren. Und wie viel Einfluss alte Nazis immer noch hatten. Insgesamt zeigt der Krimi ein stimmiges Bild von einer Epoche, die zum Umbruch in der Gesellschaft und der bis heute fortdauernden Aufarbeitung der Vergangenheit wurde.
Pauline Lindner
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Waldeck
Jürgen Heimbach
Unionsverlag (2024)
349 Seiten
kt.