Des Tauchers leere Kleider
Vendela Vida erzählt von einem mehrfachen Wechsel der Identitäten und einem erlittenen Trauma, dessen Verarbeitung erst noch bevorsteht. Am Anfang der Geschichte taucht eine namenlose junge Frau aus den USA in einem Hotel in Casablanca auf, wo ihr
Rucksack gestohlen wird. Die örtliche Polizei behauptet, den Diebstahl aufgeklärt zu haben, händigt ihr jedoch das Gepäckstück einer anderen Frau aus. Statt zu protestieren oder die amerikanische Botschaft einzuschalten, übernimmt sie Namen und Identität der Fremden. Ausgestattet mit diesem Inkognito jobbt sie an einem Filmset als Körperdouble einer berühmten Hollywood-Schauspielerin, was einen erneuten Rollen- bzw. Identitätstausch bedeutet. Der Heldin scheint die rasch eingeleiteten Ab- und Umwege auf ihrer immer mehr an eine Flucht erinnernde Reise gelegen zu kommen. Der Grund für einen erst in jüngster Vergangenheit erlittenen Schmerz, der sie nach Nordafrika hat fliehen lassen, wird allerdings erst am Ende der Geschichte deutlich. - Vendela Vidas interessante Erzählperspektive äußert sich in der zweiten Person Singular, durch die sich stets auch die Leser/innen angesprochen fühlen können. Man mag bei der unterhaltsamen Lektüre darüber spekulieren, welche Häutung der Heldin da zu welchem "Du" spricht bzw. ob die Erzählstimme vielleicht der tatsächlichen, freigelegten Figur gehört. - Junge, frische, dabei durchaus anspruchsvolle US-Literatur für alle Bestände. (Übers.: Monika Baark)
Thomas Völkner
rezensiert für den Borromäusverein.

Des Tauchers leere Kleider
Vendela Vida
Aufbau-Verl. (2016)
252 S.
fest geb.