Kindheit
Tove wird 1918 kurz nach Ende des ersten Weltkrieges in Kopenhagen geboren. Die Eltern wohnen in einem Hinterhaus, der Vater ist Heizer. Der Bruder Edvin ist vier Jahre älter als sie. Das kleine Mädchen erlebt die Mutter als unberechenbar, oft wird
es geschlagen. Der Vater, ein Sozialist, der gerne liest, hat als junger Mann von einer Schriftstellerkarriere geträumt. Auch Tove möchte schreiben, am liebsten wäre sie Dichterin. In ihrem Umfeld fühlt sie sich fremd und träumt sich mit Worten und Geschichten in ihre eigene Welt. Das Rollenmodell Familie lehnt sie früh für sich ab. Nachdem der Vater arbeitslos wird, ist ihr endgültig klar, dass der Besuch eines Gymnasiums für sie nicht möglich sein wird. Am Ende ihrer Schulzeit wird sie nach der Konfirmation als Hausmädchen arbeiten müssen. – "Kindheit" ist der erste Teil von Ditlevsens Kopenhagen-Trilogie. Die drei Teile dieser Autofiktion sind bereits 1967 und 1971 in Dänemark erschienen und liegen nun erstmals auf Deutsch vor. Ditlevsen erzählt bewegend vom Aufwachsen in einem Arbeiterviertel und dem Wunsch auszubrechen, um ein anderes, selbstbestimmtes Leben zu erreichen. Dabei schafft sie es, mit ihrer Sprache ganz nah an der Kindheit zu bleiben. Sehr empfehlenswert.
Susanne Emschermann
rezensiert für den Borromäusverein.

Kindheit
Tove Ditlevsen ; aus dem Dänischen von Ursel Allenstein
aufbau (2021)
Kopenhagen-Trilogie ; erster Teil
120 Seiten
fest geb.