Psalmen
Die Überraschung dieses Bandes mit modernen Psalmen findet man im Nachwort von Hans Maier. "SAID", so schreibt Maier, "bezeichnet sich nicht als Moslem und nicht als Gläubiger." Was aber sind diese gut einhundert, oft nur wenige Zeilen umfassenden
Psalmen dann, wenn sie nicht von einem Gläubigen, sei er Christ oder Moslem, geschrieben sind? Ganz im Stil eines biblischen Psalmes ruft der Autor immer wieder den 'Herrn' als ein Gegenüber, als Vater, als Freund, als den radikal Anderen an. Klagend, zweifelnd, hoffend, selten aber dem "Herrn" vertrauend. Vielleicht ist das das ungläubige Moment an diesen Psalmen, die in einer betörend schönen Sprache geschrieben sind. "herr/ entzweie dich/ für den abtrünnigen der ich bin/ für meine zornlosen hände/ für meine selektive treue/ die alles verrät/ bis auf träume und gebete." Für die Lektüre dieser Psalmen oder Gebete oder Gedichte sollte man sich sehr viel Zeit nehmen. SAID, der in der Tradition persischer und deutscher Lyrik steht und die Bibel so gut kennt wie den Koran, hat mit diesen Psalmen ein kleines Juwel an poetischer Sprache und Mystik geschaffen, dem man nur viele Leser, gläubige oder nicht, wünschen kann. "herr, erscheine nackt mit brot/ und schaffe die farben ab/ damit der mensch sich nie mehr verirrt/ aber erscheine/ ehe supermärkte dich auf dem wühltisch/ verramschen/ und handys zu göttern mutieren". So fügt SAID unsere oft leidvoll erlebte Gegenwart in die ur-alte Formensprache der Psalmen ein.
Carl Wilhelm Macke
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Psalmen
Said
Beck (2010)
111 S.
fest geb.