Jagdszenen aus Niederthann
An einem Novembernachmittag im Jahr 1972 fielen in dem kleinen Dorf Niederthann in der Hallertau Schüsse. Ein paar Romni-Frauen und Mädchen waren in einen Bauernhof eingedrungen und der Bauer schoss mit seinem Gewehr auf die Gruppe. Eine junge, hochschwangere Frau und ihr Baby starben, eine weitere wurde schwer verletzt. Die Boulevardpresse schürte mit reißerischer Berichterstattung den "Zigeunerkrieg" und auch die seriöse überregionale Presse berichtete umfangreich. Der Historiker Hans Woller rekonstruiert den Fall minutiös als "Lehrstück über Rassismus" und insbesondere den Antiziganismus. Er leuchtet die Rolle der Polizei, der Justiz und der Politik im Strafverfahren gegen den Täter aus. Woller greift darüber hinaus noch weiter aus, thematisiert die Verfolgung der Sinti und Roma im Nationalsozialismus, den Umgang mit der Volksgruppe und die latenten Vorurteile bis heute. Er stellt die Frage in den Raum, ob auch heute noch die Opfer zu Tätern gemacht werden könnten und die Täter zu Opfern stilisiert werden könnten. - Ein sachliches, wohl überlegtes und doch parteiisches Buch. Sehr empfehlenswert!
Marion Sedelmayer
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Jagdszenen aus Niederthann
Hans Woller
C.H.Beck (2022)
256 Seiten
fest geb.