Das Blutbuchenfest

Auf den ersten Blick ist es die Welt der 90er Jahre des 20. Jh., in die uns dieser Roman führt: die Welt des Frankfurter Geldadels und der Bohème, die - man erinnert sich dabei fast an Tellkamps "Der Turm" - in sich, in ihren Träumereien und Phantastereien Das Blutbuchenfest abgeschlossen ist und so die Zeichen der Zeit, das Menetekel an der Wand nicht erkennt. Als ob eine solche Gesellschaft noch etwas aufzubieten hätte gegen die archaischen Kräfte, wie sie im bosnischen Bürgerkrieg - er bildet den zweiten Fokus dieses Romans - aufgebrochen sind! Doch liegt diese Welt wirklich in der (jüngeren) Vergangenheit oder hat der Autor nicht eher einen zeitlosen Roman geschaffen, der die innere Dekadenz des modernen Menschen westlicher Zivilisation gnadenlos aufdeckt? Der Anachronismus der Verwendung von Handys und Mails im Roman wäre dann vielleicht gar kein Irrtum, sondern Transposition ins Jetzt und Ausdruck der Nutzlosigkeit unserer Technik, die schnelle Finger verlangt, aber die Herzen nicht berührt. Mosebachs Fundamentalkritik hat jedoch nichts Hartes an sich. Mit großer psychologischer Einfühlsamkeit hilft er, die Charaktere seines Romans nicht nur plastisch zu zeichnen, sondern auch zu verstehen; und dies in einer Sprache, die in ihrer schlichten Schönheit und durch die Tiefgründigkeit ihrer Metaphern die Auszeichnung "moderne Klassik" wohl verdienen würde.

Richard Niedermeier

Richard Niedermeier

rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Das Blutbuchenfest

Das Blutbuchenfest

Martin Mosebach
Hanser (2014)

444 S.
fest geb.

MedienNr.: 396769
ISBN 978-3-446-24479-5
9783446244795
ca. 24,90 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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