Volkswagen Blues
Der 40-jährige Jack Waterman beschließt in einer Lebenskrise, seinen Bruder Theo zu suchen, der vor 20 Jahren verschwunden ist. In einem alten VW Bulli macht Jack sich auf die Reise von Montréal quer durch den Kontinent bis nach San Francisco. Er
hat "in dem Alter, in dem man sonst so richtig zu leben anfängt ... zu schreiben angefangen" und meint: "Manche Leute sagen, Schreiben sei auch eine Art zu leben; ich glaube, es ist eine Art nicht zu leben". Unterwegs nimmt er die junge Halbindianerin Pitsémine mit einem kleinen schwarzen Kater mit. Gemeinsam folgen sie Spuren Theos oder fahren zu Orten, die für das dünne lange Mädchen wichtig sind. Sie ist eine passionierte Leserin und unterhält ihn mit Geschichten, u.a. über das Leben der Indianer heute und früher, während er sich in Erinnerungen verliert oder im Radio Nachrichten hört; auch denkt er über die Geschichte Amerikas nach, die "voller Gewalt" ist. Beide sind auf der Suche, Pitsémine will "sich mit sich selbst versöhnen", Jack will endlich richtig leben, will "lernen, wie das funktioniert mit diesen zwischenmenschlichen Beziehungen". Sie mag an Jack, "dass (er) sanft ist und so respektvoll mit den Leuten" umgeht. Sie fahren den Oregon Trail und folgen somit den Spuren der frühen Siedler. Eine wunderbare, ruhige Road-Novel, in deren Mittelpunkt ein Kult-Auto steht, voller schöner Beschreibungen und berührender Szenen der gegensätzlichen Reisenden.
Ileana Beckmann
rezensiert für den Borromäusverein.

Volkswagen Blues
Jacques Poulin ; aus dem Französischen von Jan Schönherr
Carl Hanser Verlag (2020)
251 Seiten : Illustrationen, Karte
fest geb.