Aber wir lieben dich
Ein realer Fall, der Portugal im Februar 2006 erschütterte, ist Ausgangspunkt für die Geschichte über eine Gruppe von Jugendlichen aus einem Kinderheim, die eine schwerkranke Transsexuelle fast zu Tode prügelten und den noch lebenden Körper in das Wasserloch einer Bauruine warfen. Der 12-jährige Rafa, der sich bemüht, im Leben immer etwas Schönes zu finden, entdeckt in einem Kellerloch einen "Mann mit Brüsten", die kranke und hilflose Transsexuelle Gisberta, die früher großen Erfolg im Varieté als Marilyn Monroe hatte. Die Suche nach einer Mutterfigur, nach Wärme und Fürsorge, die in Rafas Leben und in dem seiner beiden Heim-Freunde immer zu fehlen schien, veranlasst die Jungen, ihr zu helfen und Gisberta freundet sich mit ihnen an. Rafa ist glücklich, denn jemand hatte sich "entschlossen, sich um mich mehr Sorgen zu machen als um den eigenen Tod". Doch die Eifersucht zwischen den Jugendlichen und die Unfähigkeit, mit den Ritualen ihrer gewaltbereiten, rebellischen Existenz zu brechen, führen schließlich in die Tragödie. Die Jungen sind zerrissen zwischen Attraktion und Verachtung, Gruppenzwang und Geltungsdrang, zwischen Verzweiflung und Hoffnung. Ein sehr eindringlicher und erschütternder Roman des jungen portugiesischen Autors über die unerklärbare Wandlung von zunächst hilfsbereiten, fürsorglichen Jugendlichen zu Gewalttätern.
Ileana Beckmann
rezensiert für den Borromäusverein.
Aber wir lieben dich
Afonso Reis Cabral ; aus dem Portugiesischen von Michael Kegler
Carl Hanser Verlag (2021)
298 Seiten
fest geb.