Bestiarium

Das jüngste Mitglied einer taiwanesischen Migrantenfamilie macht sich auf die Suche nach ihren Wurzeln, erzählt von Anpassungsproblemen, aber vor allem von Traditionen und mythischem Volksglauben ihrer alten Heimat, der sie nicht loslässt. So denkt Bestiarium sie an das Volksmärchen von Hu Gu Po, einer Frau, von der ein Tigergeist Besitz ergreift. Sie muss die Zehen kleiner Kinder verspeisen, um Mensch zu bleiben. Die Ich-Erzählerin, von der man nicht weiß, ob es sich um die Großmutter, Mutter oder Tochter handelt, fühlt sich in Hu Gu Po verwandelt, den „Tiger, den wir in uns tragen“; ihr wächst ein Schwanz, den sie nicht immer kontrollieren kann. Traumatisches Migrantenschicksal und grausame Mythen mischen sich sprachlich vollständig, so dass der Leser nicht zwischen beidem unterscheiden kann. Der Titel „Bestiarium” stammt aus der mittelalterlichen Tradition und steht für allegorische Tierdichtungen, in denen fantastische Fabelwesen vorkommen. Dies hilft ein wenig bei der fantastischen Lektüre voller Blut, Urin und Spucke, voller grausamer Verwandlungen von Mensch und Tier. Das hochgelobte Romandebüt der jungen Autorin, die versucht, ihre Traumata und Albträume sprachlich wiederzugeben, ist schwer zu verdauen und für Leser, die sich nicht in der taiwanesischen Mythologie oder in surrealistischen Texten auskennen, nicht zu verstehen. Für KÖBs kaum geeignet.

Ileana Beckmann

Ileana Beckmann

rezensiert für den Borromäusverein.

Bestiarium

Bestiarium

K-Ming Chang ; aus dem Englischen von Stefanie Jacobs
Hanser Berlin (2021)

285 Seiten
fest geb.

MedienNr.: 606519
ISBN 978-3-446-27102-9
9783446271029
ca. 24,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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