Über Christa Wolf
Der in Leipzig aufgewachsene Schriftsteller Clemens Meyer schreibt in der Reihe „Bücher meines Lebens“ über sein großes Vorbild, die Autorin Christa Wolf. Er hält eine Art Zwiegespräch mit der Bronzebüste der Schriftstellerin, die auf seinem
Schreibtisch steht. Durch die Büste spürt er ihre Präsenz im Raum und erinnert sich. Nach dem Abitur verdingte er sich als Bauarbeiter und las in den Mittagspausen in Wolfs autofiktionalem Buch „Kindheitsmuster“. Darin erzählt sie von Nelly Jordan, die den Zweiten Weltkrieg, Vertreibung und Flucht erlebt, Tabuthemen in der ehemaligen DDR. Ihn fasziniert der Ideologiewechsel von der Begeisterung für den Nationalsozialismus zur Ansage „Nie mehr Krieg“. – Meyer selber besucht mit Mutter und Schwester die Montagsdemonstrationen in Leipzig. Später kritisiert er die Angriffe westdeutscher gegen ostdeutsche Autor/-innen nach der Wende. In seiner Fantasie stellt er sich einen Film, besser noch einen Mehrteiler, über Wolfs Leben vor und lässt ihre Weggefährt/-innen aufmarschieren: Anna Seghers, Brigitte Reimann, Irmtraud Morgner, Wolfgang Hilbig, Franz Fühmann, Hermann Kant und viele andere. Grimms Märchen von der Gänsemagd zieht sich als Leitmotiv durch den Text. Fallada, dem Pferd der Prinzessin, wird zwar der Kopf abgehackt, aber es verstummt dennoch nicht. Eine Aufforderung zur Entdeckung ostdeutscher Literatur für alle Bestände.
Susanne Emschermann
rezensiert für den Borromäusverein.

Über Christa Wolf
Clemens Meyer
Kiepenheuer & Witsch (2023)
Bücher meines Lebens
109 Seiten
fest geb.