Keine gute Geschichte
Arielle Freytag ist Anfang 30, als sie einen Anruf erhält, dass es ihrer Oma nicht gut geht. Sie selbst hat gerade wegen Depressionen einen mehrwöchigen Aufenthalt in der Psychiatrie hinter sich. Arielle hat nach dem Abitur ihre Heimatstadt Essen verlassen und keinen Kontakt mehr zu der alten Frau. Sie wollte weg von den Hochhäusern in Katernberg, von der Armut und Perspektivlosigkeit. Und sie hat es geschafft, hat ein ordentliches Polster auf ihrem Bankkonto sowie einen guten Job im Social-Media-Bereich in Düsseldorf. Der Besuch in Essen reißt alte Wunden auf. Als Arielle sechs Jahre alt war, ist die Mutter spurlos verschwunden, einen Vater gab es nie. Die Großmutter lässt das Kind in dem Glauben, dass die Mutter allein in ein neues Leben aufgebrochen ist. Arielle hat ihre Oma stets als kalt und unnahbar empfunden und immer an deren Version der Geschichte gezweifelt. Während sie alte Schulfreundinnen trifft, erfährt sie vom Verschwinden zweier kleiner Mädchen. Gegenwart und Vergangenheit beginnen für Arielle zu verschwimmen. Sie muss sich endlich ihrer Geschichte stellen. – Die junge Autorin Lisa Roy (Jahrg. 90) schreibt in ihrem sozialkritischen Debüt von Menschen, die am Rand der Gesellschaft leben, ehrlich, liebevoll und mit Humor. Gerne empfohlen.
Susanne Emschermann
rezensiert für den Borromäusverein.
Keine gute Geschichte
Lisa Roy
Rowohlt Hundert Augen (2023)
236 Seiten
fest geb.