Das Schweigen des Jan Karski
Jan Karski war eine tragische Figur: Im Auftrag der polnischen Exilregierung sollte er 1942 die Alliierten über den Horror der Vernichtungslager unterrichten und sie möglichst zum Eingreifen bewegen. Es ist ihm nicht gelungen. Der französische Autor Haenel setzt sich mich Karskis Schicksal auseinander. Im ersten Teil des Buchs gibt er ein Interview mit Jan Karski wieder, das Claude Lanzmann 1985 anlässlich seines Films "Shoah" mit ihm führte. Der zweite Teil fasst das von Karski 1944 geschriebene und erst jetzt ins Deutsche übersetzte Buch "Mein Bericht an die Welt" zusammen, das Karski in den USA veröffentlicht hat und in dem er von seiner Kriegserfahrung und seiner Tätigkeit als Kurier der polnischen Exilregierung berichtet. Der dritte Teil schließlich ist ein fiktiver Monolog, in dem Haenel sich in Karski selbst versetzt, der es nicht verwinden kann, dass man ihm nicht geglaubt hat, weil "man nicht glauben wollte", dass die Welt die Vernichtung der Juden geschehen ließ. Er wirft den Alliierten vor, trotz ihres Wissens nichts unternommen zu haben und dadurch an der Judenvernichtung eine Mitschuld zu tragen. Das im Monolog imaginierte Treffen mit Roosevelt ist vielleicht etwas überzogen, wenn Karski erzählt, der Präsident habe, während er über das Schicksal der Polen sprach, das Gähnen kaum unterdrücken können. Mit solch provokativen Behauptungen gelingt es dem französischen Autor allerdings eher, zu einer Auseinandersetzung aufzufordern, als der zeitgleich veröffentlichte dokumentarische Bericht Karskis selbst ("Mein Bericht an die Welt", BP/mp 11/563). Daher verdient dieses Buch Beachtung, das in Frankreich heftige Diskussionen ausgelöst hat. Für größere Bestände empfehlenswert. (Übers.: Claudia Steinitz)
Ileana Beckmann
rezensiert für den Borromäusverein.
Das Schweigen des Jan Karski
Yannick Haenel
Rowohlt (2011)
187 S.
fest geb.