Aus und davon
Cornelia braucht eine Auszeit von ihrem Alltag als alleinerziehende Mutter und beruflich eingespannte Physiotherapeutin, die seit ihrer Scheidung keine echte Atempause mehr hatte. New York hat sie gebucht, ein alter Traum - der aber auch zum Alptraum
werden könnte, denn ihre Eltern haben zugesagt, sich in ihrer Abwesenheit um die Kinder zu kümmern. Doch Cornelias Vater hat bei einem Reha-Aufenthalt eine andere Frau kennengelernt, und nimmt sich nun ebenfalls eine Auszeit von der langjährigen Ehe mit Elisabeth. Natürlich steht die Mutter zu ihrem Versprechen, aber als sie zur Betreuung der Enkel antritt, befindet sie sich in einem psychischen Ausnahmezustand. Der achtjährige Bruno verschmäht schon mal die erste Mahlzeit, obwohl der recht mollig gewordene Junge normalerweise dem Essen nur zu gerne zuspricht und deswegen auch in seiner Klasse gemobbt wird. Und Stella, die 15-Jährige, meldet sich erst gar nicht bei ihrer Großmutter, geht nicht ans Handy und ist offensichtlich heftig verliebt. Kurz, das Ganze droht für alle Beteiligten eine ernsthafte Nervenprobe zu werden. - Anna Katharina Hahn schildert die Herausforderungen für ihre Protagonisten temperamentvoll und lebensnah, sie formuliert ungekünstelt und frisch. Besonders gelungen die Figur der Mutter und Großmutter Elisabeth, die als sehr junge Frau vorübergehend in den USA gearbeitet hatte, um die Familie im Schwäbischen besser durch schwierige Jahre zu bringen. Die liebenswerte Brücke bildet der "Linsenmaier" eine altmodisch selbst gemachte Trösterpuppe. Doch so ganz schlüssig passt die Geschichte nicht in den psychologischen Zusammenhang der Haupthandlung, weitet aber den Blick und bietet eine neue Perspektive auf die schwäbisch-pietistisch geprägte Enge, in der Elisabeth und ihre Vorfahren groß geworden sind. Eine schwungvoll und klar erzählte Geschichte mitten aus der Gegenwart, sehr zu empfehlen.

Aus und davon
Anna Katharina Hahn
Suhrkamp (2020)
302 Seiten
fest geb.