Piccola Sicilia
Ein Freund der Archäologin Nina taucht bei Marsala auf Sizilien nach dem Flugzeugwrack, auf dessen Passagierliste ihr Großvater Moritz Reincke geführt war, das letzte Lebenszeichen, das die Familie hatte. Völlig unverhofft aber wird Nina mit einer zweiten Spur zu ihrem Großvater konfrontiert durch Joelle, eine Frau, die ebenfalls in Marsala eintrifft und behauptet, die Tochter von Moritz Reincke zu sein. Nächtelang tauschen sich die beiden Frauen aus. Joelles Geschichte führt ins Tunis unter deutscher Besatzung und nach "Piccola Sicilia", das ehemalige Viertel der jüdischen Italiener in Tunis. Daniel Speck erzählt anhand dieses Viertels und der jüdisch-italienischen Familie Sarfati, wie sich das Zusammenleben der religiös und ethnisch gemischten Bewohnerschaft durch Krieg, Besatzung und Verfolgung verändert und die frühere Selbstverständlichkeit des Miteinanders unwiederbringlich zerstört wird. Moritz Reincke wird vom Soldaten zum Deserteur, der untertauchen muss, abhängig vom Schutz der Sarfatis, deren Sohn Victor er zur Flucht verholfen hatte. - Daniel Speck verknüpft private Dramen und Konflikte gekonnt mit der Zeitgeschichte. Allerdings kämpft der Leser zu Beginn mit der Fülle an Personen und Erzählsträngen und generell will sich die Geschichte des nicht ganz klischeefrei erzählten Musikers Victor und seiner Schwester immer wieder in den Vordergrund drängen. Viel Emotion, Spannung, aber auch Nachdenkliches - eine empfehlenswerte Lektüre.
Gabie Hafner
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Piccola Sicilia
Daniel Speck
Fischer Taschenbuch-Verl. (2018)
621 S. : Ill., Kt.
kt.