Die Verunsicherten
Adam ist Historiker und lehrt an der Pariser Universität. Als er an das Sterbebett eines früheren Freundes in seinem Heimatland Libanon gerufen wird, taucht er in seine Vergangenheit ein und beginnt, sich mit seinem Lebensweg auseinanderzusetzen. Er nimmt Kontakt mit den Freunden aus der gemeinsamen Studentenzeit im toleranten Libanon der 60er und 70er Jahre auf, als sie sich, trotz und gerade wegen ihrer unterschiedlichen Religionen, eine glückliche Zukunft erträumten. Doch Unruhen und Bürgerkrieg veränderten ihre Wege und Lebenseinstellungen sehr. Die einen sind emigriert wie Adam, andere wie Murad sind geblieben und verrieten ihre Ideale, weil sie ihr Land nicht im Stich lassen wollten; wieder andere zogen sich zurück und verbargen ihre Träume ganz tief in ihrem Innern. Die einen wurden "durch ihre Tugenden zugrunde gerichtet", die anderen durch "ihre Fehler gerettet". Ein Plädoyer für Toleranz, dafür, dass letztendlich die menschlichen Werte überall, in allen Kulturen und Religionen die gleichen sind. Der Roman ist voller tiefsinniger Gedanken wie z.B. zum Fanatismus: "Weil sie eine Religion haben, glauben sie, auf die Moral verzichten zu können" und zum Demokratieverständnis: "Der Kommunismus hat die Menschen im Namen der Gleichheit unterdrückt, der Kapitalismus ist dabei, sie im Namen der ökonomischen Freiheit zu unterdrücken". Der in Paris lebende Autor hat für diesen umfangreichen Roman aus seinen Erinnerungen geschöpft. Ein wichtiges, sprachlich und gedanklich herausragendes Buch für alle, die verstehen wollen, was zwischen Europa und dem Nahen Osten falsch gelaufen ist. (Übers.: Lis Künzli)
Ileana Beckmann
rezensiert für den Borromäusverein.
Die Verunsicherten
Amin Maalouf
Arche (2014)
505 S.
fest geb.