Jeremias

Der unter dem heutigen Untertitel "Höret die Stimme" in erster Auflage 1937 veröffentlichte Jeremias-Roman des ein Jahr später nach Frankreich emigrierten Franz Werfel ist in jeder Hinsicht ein monumentales Werk. Und zwar nicht nur deshalb, weil Jeremias er mit seinen 570 Seiten die biblische Vorlage bei weitem übertrifft und dabei die vergangene jüdische Geisteswelt und Kultur nahezu kongenial wieder zum Leben erweckt, sondern vor allem, weil darin alles groß und erhaben, von höchst existentieller Bedeutung ist: die Berufung eines Einzelnen durch Gott und dessen Ringen mit dem göttlichen Auftrag, die äußerst bedrohliche Notsituation des auserwählten Volkes, aber auch dessen Sünde und Versagen. Um dem auch sprachlich gerecht zu werden, greift Werfel seine expressionistische Frühzeit wieder auf, gibt seinen Figuren schärfste Konturen, meißelt ihre Worte mitunter wie in Stein, Monumente eben, die über die erzählte Zeit hinaus sprechen. Verstehen kann man dies nur, wenn man Werfels eigenen Lebensrahmen bedenkt: den dämonischen Nationalsozialismus, der seinen Schatten schon auf Werfels Heimat Österreich wirft; vor allem aber Werfels Gottsuche, die ihn vom Judentum zum Christentum konvertieren und zu einem literarischen Brückenbauer zwischen den beiden Religionen werden ließ. Auch den Leser von heute wird dies nicht kalt lassen, wenn er nur zeitlos Gültiges vom Zeitbedingten zu trennen versteht.

Richard Niedermeier

Richard Niedermeier

rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Jeremias

Jeremias

Franz Werfel
Benno Verlag (2022)

576 Seiten
fest geb.

MedienNr.: 750259
ISBN 978-3-7462-6089-1
9783746260891
ca. 19,95 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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