Die andere Seite des Tages
Erschüttert vom plötzlichen Tod ihres drogensüchtigen Bruders, versucht Anna Distanz zu gewinnen, indem sie als Au-pair nach Paris geht. Lakonisch beschreibt sie die verschiedenen Familien, deren Kinder sie betreut. Oft Vertraute der Erwachsenen oder der Kinder, gehört sie doch nie dazu. Auch die kurze Affäre mit einem Vater ändert daran nichts. Anna beschreibt kommentarlos ihre Situation, z.B. das Kochen von Mahlzeiten, von denen man selbst nicht essen darf. Sie hat keinerlei Ambitionen, etwas anderes zu machen, etwas Dauerhaftes: „Die Zeit hatte das Kinderhüten in eine Lebensaufgabe verwandelt“. Bergman schreibt selten darüber, wie es Anna geht, aber es gelingt ihr gut, die Stimmungen von Anna und ihren Familien einzufangen. Sie beschreibt die Machtverhältnisse in der Kinderbetreuung, ohne zu urteilen. Ein einfühlsamer psychologischer Roman über die heikle Lage von Kindermädchen und die Notwendigkeit, eine Beziehung zu einer Familie aufzubauen, ohne die Grenzen zu überschreiten, die die Bezeichnung ‘Kindermädchen’ vorgibt. Der Debütroman der Autorin wurde für mehrere Literaturpreise nominiert. Sehr empfohlen.
Ileana Beckmann
rezensiert für den Borromäusverein.
Die andere Seite des Tages
Emeli Bergman ; aus dem Dänischen von Ursel Allenstein
Ecco (2022)
189 Seiten
fest geb.