Weltfrieden
Die Bewohner des brandenburgischen Dorfs Wolzow haben vor der Wende Großteils in den ortsansässigen Fermentationswerken Königswerder West gearbeitet. Als das Werk 1994 geschlossen wird, platzen viele Lebensentwürfe. Das Dorf am Groß Ritzener See
entwickelt sich zum Berliner Naherholungsgebiet. Erika und Hermann Grüning, zur Zeit der Schließung beide Mitte fünfzig, haben sich den Umständen angepasst und verdienen ihren Lebensunterhalt inzwischen mit Reinigungsdiensten für die Besitzer der neuen Ferienhäuser. Ihre Tochter Heike ist nach Berlin gezogen, um der Trostlosigkeit des Dorfes mit seinen desillusionierten Bewohnern und der Erinnerung an ein beängstigendes Erlebnis zu entkommen. Der neue Reinigungsauftrag von einem Sascha Behrends, ein verwildertes Seegrundstück vor dem Verkauf herzurichten, rüttelt die Dorfbewohner aus ihrer Lethargie. Auf dem Grundstück steht überwuchert der "Weltfrieden", der frühere Betriebskindergarten und plötzlich sind verdrängte Erinnerungen wieder präsent. Sascha Behrends ist bestens bekannt. Er stammt aus der Gegend und es gibt Beweise, dass er sich bei der Abwicklung der Werke durch Vortäuschung falscher Tatsachen Vorteile verschafft hat, mit desaströsen Folgen für die Mitarbeiter. Sein plötzliches Auftauchen lässt die vergrabene Empörung auflodern. Die Lage eskaliert. Ruhige Distanziertheit und bildhafte Sprache zeichnen diesen Roman aus, der aus bitteren Erfahrungen und Trostlosigkeit in das Wiedererwachen des Gemeinschaftssinns und der Lebendigkeit, geweckt durch die neueren Ereignisse, führt. Allen Büchereien nachdrücklich empfohlen.
Gabriele Berberich
rezensiert für den Borromäusverein.

Weltfrieden
Lucia Jay von Seldeneck
Goya (2022)
204 Seiten
fest geb.