Der Meister
Die beste Romanfigur von Max Brod solle, sagt man, Franz Kafka sein. Hinter dessen Weltruhm, dem der Freund den Weg ebnete, ist Brod eigenes Werk fast verschwunden. Gut, dass deshalb Hans Gerd Koch und Hans Dieter Zimmermann eine Auswahlausgabe von
Brods Werken besorgen. Der neue Band in der Reihe ist die Neuauflage des 1952 erschienenen Romans "Der Meister". Dieser "Meister", diesmal im ernsten Sinne eine der besten Romanfiguren Brods, ist kein geringerer als Jesus. Brod wählt einen historischen und zugleich transformierend-modernen Ansatz. Er lässt Wirken und Sterben Jesu aus der Sicht des gebildeten griechischen Sklaven Meleagros erzählen, der nach der Zeitenwende in Jerusalem lebt. Das bietet die Gelegenheit, die vielfachen politischen und philosophischen Strömungen der Zeit zusammenzufassen, mit Anspielungen auf die Gegenwart. Meleagros bezieht sein Wissen von Jesu von dessen Ziehschwester, einer Nichte Marias, und von Jason, einer verkappten Judasfigur, die Verrat an Jesu Liebes- und Hoffnungsbotschaft begeht. Brod lässt seine Figuren in ausführlichen Gesprächen die damalige religiöse Situation reflektieren, auch die seiner eigenen Gegenwart, des 20. Jahrhunderts. So veranschaulicht Brod die Zwischenwelten zwischen Heidentum, Judentum und Christentum, zwischen Rom und Jerusalem. Sein Jesus ist, wie es in Karl-Josef Kuschels klugem Nachwort heißt, "ein Prediger ohne Amt, ein Heiler ohne Medizin". - Sehr empfehlenswert, für alle Bestände.
Michael Braun
rezensiert für den Borromäusverein.

Der Meister
Max Brod
Wallstein (2015)
574 S.
fest geb.