RCE

Sie haben es doch nur gut gemeint! Es wird optimiert, was nur geht - Digitalisierung und Innovation sind Zauberworte der Gesellschaft und alles wird dem Profit geopfert, wer nicht effizient ist, wird aussortiert. Sibylle Berg entwirft ein gleichermaßen absurdes wie erschreckend reales/realistisches Bild einer vollkommen am Markt ausgerichteten „degenerierten“ Gesellschaft. Der Neoliberalismus hat gesiegt und der Kapitalismus ist alternativlos. Die Erde ist verloren, also werden die vorhandenen Ressourcen „optimal“ ausgequetscht. Dank „new work“ wird die Bevölkerung auf modernste Weise geknechtet und zu Tagelöhnern eines Systems, das nahezu alles möglich macht und paradoxerweise vor allem aus echten wie moralischen Schranken besteht. Profiteure sind nur wenige, sie werden immer reicher. Gelenkt wird diese Welt von wenigen Wirtschaftsmagnaten, Diktatoren, Religionsführern und anderen „Größen“. Heute aktuelle Themen wie gendergerechte Sprache oder Instagram-Stars werden auf die Spitze getrieben. Doch noch besteht Hoffnung: Fünf beinahe kontaktunfähige IT-Nerds finden sich in einem Container fernab der Zivilisation zusammen - sie planen den Angriff (RCE) und das Reset des Systems. Man braucht schon Durchhaltewillen, um der oft komplexen Handlung über mehr als fünfzehn Stunden zu folgen (die Autorin hat ausgiebig recherchiert und so mangelt es nicht an Fachtermini und Expert/-innenwissen - online findet sich ein Glossar) und doch ist es erschreckend, wie nah Bergs Dystopie aktuellen Diskussionen scheint. All die Spitzen und Anspielungen wird man kaum beim ersten Hören erkennen. Die Schauspieler/-innen Lisa Hrdina und Torben Kessler lesen abwechselnd und sehr souverän. „RCE“ ist der zweite Band einer Trilogie (Vorgänger: „GRM - Brainfuck“), kann aber auch unabhängig davon gehört werden. Am ehesten für größere Büchereien (mit Berg-Fans) möglich.