Das ferne Feuer
Parvin Schams möchte im Rahmen ihres Ethnologie-Studiums die Situation afghanischer Frauen untersuchen. Angeregt dazu wurde sie durch das Buch "Mutter Afghanistan", in dem der Autor Gideon Crane beschreibt, wie er durch den Bau einer Klinik das Leben
von Dorfbewohnerinnen entscheidend verbessern konnte. Nach einer abenteuerlich gefährlichen Anfahrt über kaum passierbare Straßen kommt Parvin endlich in einem abgelegenen afghanischen Seitental an. Es gibt zwar eine kleine Krankenstation, die mit Spendengeldern funktionell ausgestattet ist, die aber über keinerlei medizinisches Personal verfügt. Nur gelegentlich kommt eine einheimische Ärztin vorbei und leistet medizinische Nothilfe. Die archaischen Verhältnisse, besonders die Situation der Frauen, und die mehr als ärmlichen Zustände erschüttern die junge Frau. Immer deutlicher wird für Parvin, dass Cranes Buch wenig bis gar nichts mit der afghanischen Realität zu tun hat. Mehr noch: Vieles, was er als die Errungenschaften seines Wirkens beschreibt, ist einfach erlogen. Als US-Soldaten das Dorf durch eine neue Straße besser erreichbar machen wollen, stoßen sie auf Ablehnung bei den Dorfältesten. Die Einheimischen wissen, dass dieses Unternehmen die Taliban anlocken und den Krieg in ihr Dorf holen wird. Kaum dass die Bauarbeiten begonnen haben, kommt es auch schon zu Anschlägen, die wiederum als Reaktion der Amerikaner zu einem Blutbad unter den Aufständischen und unbeteiligten Dorfbewohnern führen. Als dabei auch die afghanische Ärztin erschossen wird, gibt Parvin auf und lässt sich verbittert und desillusioniert ausfliegen. - Ein Buch, das an Aktualität kaum zu überbieten ist. Es ist nicht nur ein äußerst spannender Roman, sondern auch eine schonungslose Auseinandersetzung mit dem Sinn westlichen Engagements in Afghanistan. Absolut empfehlenswert!
Josef Schnurrer
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Das ferne Feuer
Amy Waldman ; aus dem Englischen von Brigitte Walitzek
Schöffling & Co. (2021)
495 Seiten
fest geb.