Ruth Tannenbaum

Der biografische Erzählstrang des Romans beruht auf dem Schicksal von Lea Deutsch, einem gefeierten kroatischen Kinderstar jüdischen Glaubens, die auf dem Transport nach Auschwitz 16-jährig starb. Die vom Autor dargestellte Familiengeschichte weicht Ruth Tannenbaum in etlichen Fakten davon ab. Jergovic legt sein Augenmerk auf die Reaktionen von (fiktiven) Einzelpersonen, wie sie die Zeitläufte wahrnehmen. Beispielsweise Ruths Großvater Abraham Singer, der schon bei Hitlers Machtübernahme Geldmittel zur Auswanderung beschaffte. Oder dass der Nachbar Morinj, ein Eisenbahner, als erster eine rotweiß-karierte Plakette an seiner Uniform trug, als Kroatien aus dem jugoslawischen Königreich als Vasallenstaat von NS-Deutschland ausschied. - Zagreb war in diesen Jahrzehnten eine Stadt mit einer ethnisch vielfach gemischten Bevölkerung. Anfangs blickten die Zagreber eher verächtlich auf die Zugezogenen aus ländlichen Regionen des Balkans. Eine Trennlinie wurde von den Bewohnern selbst nach Konfession gezogen: kroatisch-katholisch auf der einen Seite, orthodox und damit eher serbisch auf der anderen. Besonders konservative katholische Kreise verachteten ihre jüdischen Mitbürger - aufgrund religiöser Motive. Das änderte sich schlagartig, als Kroatien ein scheinselbständiger Staat unter Ante Pavlevic wurde. - Der Autor pflegt durchgängig einen weitschweifigen Erzählstil; er flicht mitunter ganze Geschichten ein, die nur indirekt mit dem Erleben der Protagonisten zu tun haben. In ihnen spiegelt sich aber die Vielfalt der unterschiedlichen Herkünfte wider.

Pauline Lindner

Pauline Lindner

rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Ruth Tannenbaum

Ruth Tannenbaum

Miljenko Jergovic ; aus dem Kroatischen von Brigitte Döbert
Schöffling & Co. (2019)

447 Seiten
fest geb.

MedienNr.: 928790
ISBN 978-3-89561-398-2
9783895613982
ca. 26,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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