Juja

Was die Lektüre dieses Romans anfangs etwas verwirrend macht: Es gibt keinen Erzähler, vielmehr melden sich nacheinander verschiedene Stimmen zu Wort, die so gar nichts miteinander zu tun zu haben scheinen. Erst nach und nach begreift der Leser die Juja Zusammenhänge dieses Puzzles, in dessen Zentrum Passagen aus einem ominösen "Eiszeit Buch 1" stehen. Dieses angeblich von einer 17-jährigen Selbstmörderin namens Jeanne Saré stammende Bekenntnisbuch hat, seitdem es 1951 erschienen ist, 15 weitere Frauen zum Suizid verleitet. Eine Kunsthistorikerin und einer ihrer Studenten, dessen Mutter sich unter dem Einfluss des Buches erhängt hatte, versuchen nach vielen Jahren die Hintergründe dieser Selbstmordwelle aufzuklären. Es stellt sich heraus, dass es sich bei Saré und ihrem Buch um eine Fiktion handelt, die vom Verleger des Werkes stammt. Nach dem Suizid seiner eigenen Ehefrau hatte er das Buch vom Markt genommen, aber dessen destruktives Potential nicht eindämmen können. Eine der Leserinnen glaubt noch "heute", sich in den Schriften der Saré auf unheimliche Weise wiederzuerkennen. Und sie liefert damit den Schlüssel zur Erklärung aller Nachahmungstaten: "Die Geschichte selbst erzählt nichts, aber sie gibt dir die Möglichkeit, dich darin wiederzufinden." (S. 279f.) - Wenn man an diesem verstörenden und packenden Roman, der in Teilen auf einen realen Fall rekurriert, etwas kritisieren will, dann (neben den vielen Druckfehlern) die "Eiszeit"- Passagen selbst. Es fällt schwer zu glauben, dass diese z.T. wirren, streckenweise pathetisch-banalen Ergüsse derart suggestiv gewirkt haben könnten. Die Autorin hätte wohl besser daran getan, sich auf die Phantasie des Lesers zu verlassen. Dennoch ist der Debütroman der jungen Dramatikerin lesenswert, raffiniert in der Struktur aber gleichwohl spannend und inhaltlich auf faszinierende Weise irritierend, weil dem Geist unserer Zeit genau entsprechend! (Nominiert für den Deutschen Buchpreis 2010)

Helmer Passon

Helmer Passon

rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Juja

Juja

Nino Haratischwili
Verbrecher-Verl. (2010)

299 S.
fest geb.

MedienNr.: 567418
ISBN 978-3-940426-48-2
9783940426482
ca. 24,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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