Die Zweifel des Homer Spiegelman
Homer Spiegelman, Sohn eines jüdischen Automechanikers, muss als Achtjähriger mitansehen, wie seine Mutter von einem Auto überfahren wird und stirbt. Sein Vater und eine Freundin seiner Mutter helfen ihm über die erste Zeit hinweg, aber als sein Vater die Frau wenige Monate später heiratet, ist das ein Schock für Homer. Nur mit seinem gleichaltrigen Cousin Matt, der wie ein Bruder für ihn ist, kommt er gut zurecht. Auf den beiden ruhen große Erwartungen der Familie, sie entwickeln sich auch sehr positiv, doch im Laufe der Jahre wird Matt immer mehr zum Antipoden von Homer. Matt, der Sonnyboy, dem alles gelingt, ist bei allen beliebt und Homer ist der verschlossene Einzelgänger, dem man nicht so recht traut. Beide zieht es in die New Yorker Hochfinanz. An der Wall Street machen sie Karriere, verdienen ein Vermögen: Homer als gefürchteter Staranwalt, Matt als erfolgreicher Analyst. Dann stirbt Matt, der strahlende Überflieger, viel zu früh und Homers Welt gerät ins Wanken. Er bekommt Zweifel an seinem Weg als kaltherziger Finanzanwalt, der skrupellos die Schwächen anderer ausnutzt. Vor allem seine Halbschwester Sandy, die Homers Gier nach Geld verachtet und zum Entsetzen der Familie als Lehrerin in die verrufene Bronx geht, macht ihn nachdenklich. Sandy und ein Brief mit einem verstörenden Geheimnis, den ihm Matt hinterlassen hat, sind schließlich auch die Ursache dafür, dass Homers Leben eine unerwartete Wende vollzieht. - Die preisgekrönte Sachbuch- und Filmautorin zeichnet in ihrem ersten Roman ein hautnahes Bild von zwei schillernden, zwiespältigen Figuren, die einerseits dominiert von Geld und Gier, andererseits aber doch nicht ohne Empathie sind. Das mitreißende, flüssig geschriebene und raffiniert konzipierte Buch liefert ein einfühlsames Psychogramm der beiden Protagonisten, atmosphärisch dicht und immer nahe am Leben. Ein faszinierender Roman, bestens empfohlen.
Günther Freund
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Die Zweifel des Homer Spiegelman
Inge Kloepfer
Osburg Verlag (2023)
426 Seiten
fest geb.