Gentleman auf Zeit
Der achte Roman des irischen Autors Sebastian Barry ist ein starkes Stück. Es geht um das Lebensprotokoll eines in Afrika arbeitenden Mannes in der zweiten Hälfte seines Lebens. John MacNulty war UN-Mitarbeiter und Major der "Royal Engineers", ein Bombenentschärfer, erfolgreich und krisenfest, was man von seiner Rolle als Ehemann und Vater nicht behaupten kann. Die Liebe zur Armee bringt es mit sich, dass er den Kontakt zu seiner Familie immer mehr verliert. Daraus entsteht ein Schuldkomplex, der die Lektüre doppelbödig macht. Man erkennt, wie selbstverliebt der Ingenieur sein Metier beherrscht, und man kann sich doch des Mitleids mit seinem Schicksal, nur selten, und wenn, dann zu spät, da zu sein, wenn er gebraucht wird, schwer erwehren. Barry beherrscht ein partisanisches Erzählen, das manchmal aus dem Hinterhalt überrascht und besonders stark ist, wenn Überlebenssituationen wie der Schiffbruch am Anfang oder eine Explosion in einer Offiziersmesse beschrieben werden. Ein Roman über Schuldbewältigung und vergebliche Sühne, über "Schönheit und Exzess", wie der "Independent" über die englische Originalfassung schrieb. Allen größeren Beständen empfohlen. (Übers.: Petra Kindler u. Hans-Christian Oeser)
Michael Braun
rezensiert für den Borromäusverein.
Gentleman auf Zeit
Sebastian Barry
Steidl (2017)
285 S.
fest geb.