Die Gäste
Die Ich-Erzählerin Friederike erbt von ihrer Großmutter ein Café, hängt ihren sicheren Behördenjob an den Nagel und lässt die neue Aufgabe auf sich zukommen. Katharina Hacker entwickelt dieses Café und dessen Gäste zu einer Szenerie, in der Traum und Realität verschwimmen und Menschen- und Tierwelt miteinander verschmelzen. Außerhalb des Cafés herrscht eine nachpandemische Endzeitstimmung, es gehört zum Alltag, sich vor Heckenschützen, die überall auf den Dächern lauern, in Acht nehmen zu müssen. Das nächste tödliche Virus wirft bereits seine Schatten voraus. Unter dem Café existiert eine Parallelwelt: das Reich der Ratten, eine Militärdiktatur, in der regelmäßig all jene hingerichtet werden, die für mehr Freiheit kämpfen. Im Café wiederum spielen sich im Kleinen Szenen ab, die sich in der Außenwelt täglich tausendfach wiederholen. Das Café als Mittelpunkt und Spiegel der Welt, darin die Protagonistin, die trotz des bedrohlichen Weltgeschehens vor allem ihre kleine, für sie bedeutende Einzelsorge in sich trägt. Wann wird ihr geliebter Adoptivsohn ihr endlich verzeihen? - Der Roman ist ein anspruchsvoller, literarischer Ausflug in einen surrealen Zustand irgendwann nach der jetzigen Pandemie und vor der zu erwartenden nächsten. Die Autorin führt uns eine neue gesellschaftliche, auf absolute Sicherheit fixierte Art der Angst vor Augen, die uns letztlich nur weiterleben lässt, wenn wir Kummer und Sorgen verdrängen. Einfach weniger denken und fühlen, unseren Sonderstatus als Mensch aufgeben, wieder mehr "zum Tier werden", um unbeschadet überleben zu können? Eine künstlerisch-literarische Auseinandersetzung mit den Auswirkungen der Pandemie. Lässt viel Spielraum für unterschiedlichste Interpretationen.
Elisabeth Brendel
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Die Gäste
Katharina Hacker
S. Fischer (2022)
255 Seiten
fest geb.