Wiesenstein

"Dein Werk schützt dich. Ein Werk außerhalb der Zeit!" Als der alte Gerhart Hauptmann noch im März 1945 aus dem gerade erst zerbombten Dresden mit der Eisenbahn in Richtung Schlesien nach Hause, zu seinem "Wiesenstein" fährt, macht man einen großen Wiesenstein Bogen um ihn und sein Anwesen, die Sowjets, die Polen, die noch deutschen, später auch die neuen polnischen Nachbarn. Eine gespenstisch anmutende Welt versammelt sich an den Abenden in den Salons, noch finden sich genügend scharfe Getränke, in den Kellern und Vorratskammern, mal auch ein Film aus alter Zeit. Peinlichkeiten, die ihre Ursachen im Aufeinanderprallen alter Gesellschaftsformen mit dem fürchterlichen Chaos dieser Tage und dem aktuellen politischen Umbruch in Schlesien und ganz Deutschland haben, sind an der Tagesordnung und werden vom sympathischen Personal der Hauptmanns oft geschickt ausgehalten. Gerhart und Margarete Hauptmann verstehen die Welt nicht mehr. Der Roman, vielleicht sollte man ihn sogar "Tatsachenroman" nennen, orientiert sich sehr exakt an der Ausnahmesituation des Hauses Hauptmann in den Jahren 1945 und 1946. Keiner wollte sich an ihm, gleichsam einem Denkmal alter Zeit, vergreifen, aber es ging immer wieder bis an die Grenzen des noch Duldbaren. - Pleschinski hat sich intensiv mit Sprache, Prosa und Poesie Gerhart Hauptmanns beschäftigt und zitiert den Dichter an vielen Stellen des Buches mit Sentenzen aus seinem Werk, so dass der Leser auch einen guten Einblick in die lebenslange Arbeit des Nobelpreisträgers erhält. Ein hochinteressantes und aufregend spannendes Buch.

Armin Jetter

Armin Jetter

rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Wiesenstein

Wiesenstein

Hans Pleschinski
Beck (2018)

547 S. : Ill.
fest geb.

MedienNr.: 880650
ISBN 978-3-406-70061-3
9783406700613
ca. 24,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
Diesen Titel bei der ekz kaufen.