Nachts leuchten die Schiffe

Nach "klare konturen" (2006), "fallstreifen" (2008) und "verdecktes gelände" (2014) ist ein neuer Lyrikband von Nico Bleutge da. Auch hier ist der Titel ein Wegweiser. Wo die Schiffe leuchten: das ist am Bosporos, der Orient und Okzident trennt. Hier Nachts leuchten die Schiffe hat der Autor als Stipendiat der Kulturakademie Tarabya bei Istanbul gelebt. Das Ensemble von fahrenden Containerschiffen, Lichtreflexen und Meereswellen reizt die dichterische Phantasie. Andere Gedichte führen in die Türkei, nach Polen, Sachsen, Russland und Afrika. Es geht um geographische, mineralische und botanische Dinge, aber auch um Politik und die poetische Tradition "inmitten von Zeit". Was so bemerkenswert ist an Bleutges Gedichten, ist ihre Kunst, die Wahrnehmung des Lichts und des auch nachts Beleuchteten in rhythmisch gegliederte, bedeutungsdichte Sprache zu bringen. Was sieht man an den Dingen neu oder anders im Licht des Gedichts? Im Eingangsgedicht vollzieht Nico Bleutge, ein "Phänomenologe des Sehens" (Sebastian Kleinschmidt), das mustergültig anhand weniger Verse nach, die sich wie die Wellen von Wasser und Licht bewegen und ineinander verschwimmen. So erzeugen die Texte neue Laut- und Sinnverbindungen "nah am berühren". Nico Bleutge macht die Sprache zum Partner der Dinge und setzt damit Leuchtpunkte des Erkennens. Selten kann man, um Brecht zu zitieren, das weiche Wasser, das, in Bewegung, mit der Zeit den harten Stein besiegt, so eindringlich studieren wie in diesen Gedichten. - Größeren Beständen empfohlen.

Michael Braun

Michael Braun

rezensiert für den Borromäusverein.

Nachts leuchten die Schiffe

Nachts leuchten die Schiffe

Nico Bleutge
Beck (2017)

79 S.
fest geb.

MedienNr.: 589314
ISBN 978-3-406-70533-5
9783406705335
ca. 16,95 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
Diesen Titel bei der ekz kaufen.