schlafbaum-variationen
Abtauchen und Aufschwingen sind die Hauptbewegungen der Gedichte des 1972 geborenen Nico Bleutge. Sie erinnern an die altehrwürdige Macht der Poesie, uns zu bewegen, indem sie den Dingen auf den Grund geht und sie zugleich erhebt. Die Mittel, um dies im Gedicht zu bewerkstelligen, sind auch in Bleutges fünftem Band die Kraft der Einbildung und die Mikro-Beobachtung. Die Texte sind nicht immer leicht zu lesen, aber gar nicht so schwer zu verstehen: Es gelingt ihm, mit einfachen Wörtern, die konsequent durch Kleinschreibung gleichgestellt werden, sich an die Limits von Erleiden und Erleben heranzutasten, den Routen von Geräuschen, Lichtquellen und immer wieder von Vögeln zu folgen. So entstehen überraschende postromantische Verbindungen. Auch sprachlich funkeln viele Gedichte geradezu von Lautmalereien („färben und federn“), Wahrnehmungssensationen („löwen ohne gepäck“) und kalkulierten Bildbrüchen („funkenwelle“). Gedichte, die die „zeit in stücken“ festhalten und die „Achkraft“ der Poesie beschwören, über die Bleutge zur Eröffnung der Frankfurter Lyriktage im Mai 2023 Auskunft gab.
Michael Braun
rezensiert für den Borromäusverein.
schlafbaum-variationen
Nico Bleutge
C.H.Beck (2023)
109 Seiten
fest geb.