Der Garten der Abendnebel
Richterin Yun Ling hat sich im Alter auf ihren Landsitz in den Bergen Malaysias zurückgezogen, den sie "Garten der Abendnebel" nennt. Trotz beginnender Demenz will sie ihre Erinnerungen aufzeichnen: Erlebnisse, die so schrecklich sind, dass sie sie bisher verdrängt hat. Sie war zusammen mit ihrer Schwester während des Krieges in einem japanischen Internierungslager, einem der Todeslager, in denen gefoltert, die Frauen zur Prostitution gezwungen und medizinische Experimente an ihnen vorgenommen wurden. Sie hat nur überlebt, weil sie dem Kommandanten gefiel. Nach dem Krieg erlebt sie den kommunistischen Aufstand mit und die ständigen Ängste der Zivilbevölkerung, zwischen die Fronten zu geraten. Zu den schlimmen Erinnerungen kommen neue: das Leben am Rande des malaysischen Dschungels zwischen Teeplantagen, ihre Freundschaft zum japanischen Gärtner Aritomo, der ihr seine Kunst beibringt und ihr hilft, einen perfekten Garten zu erschaffen, in dem sie Ruhe finden kann. Denn mit kunstvoll gestalteten Gärten versuchen Japaner, der "Vorstellung eines jenseitigen Paradieses nahezukommen". - Die poetischen Gartenbeschreibungen sorgen für kontemplative Ruhepunkte in einem Roman, in dem Krieg und Gewalt eine große Rolle spielen. Eine stimmungsvolle Einführung in japanische Gartenkunst, in malaysische Geschichte und vor allem in die Zeit der japanischen Besatzung Malaysias und die Folgen für die Zivilbevölkerung. Sehr einfühlsam und poetisch geschrieben, fühlt sich der Leser in das tropische Klima der malaysischen Teeplantagen versetzt - ein verstörendes Buch, das zugleich bezaubert. (Übers.: Michaela Grabinger)
Ileana Beckmann
rezensiert für den Borromäusverein.
Der Garten der Abendnebel
Twan Eng Tan
Droemer (2015)
461 S.
fest geb.