Die Pilgerjahres des farblosen Herrn Tazaki
Tsukuru (japanisch: Macher, Erschaffer) Tazaki, der Held in Murakamis grandiosem Selbstfindungs- und Liebessroman, ist ein japanischer "Homo Faber", der sich der Irrationalität des Schicksals ausgeliefert sieht, beinahe unterliegt und schließlich von einer klugen Geliebten geleitet zu der Erkenntnis geführt wird, dass rational nicht Fassbares wie Intuition und Gefühle sein Leben in viel stärkerem Maße bestimmen als er, der Naturwissenschaftler und Macher, es sich eingestehen konnte. Als "farbloser" Ingenieur baut und plant er Bahnhöfe. Dennoch ist er im Innersten verstört, seit ihm seine Jugendfreunde, zwei Jungen und zwei Mädchen, die sich zu einer intimen Gemeinschaft zusammengefunden hatten, unversehens aus ihm völlig unverständlichen Gründen die Freundschaft aufkündigen. Tief getroffen zieht er sich zurück, trägt sich gar mit Selbstmordgedanken, findet aber dann zu einem von der täglichen Arbeit ausgefüllten Leben zurück. Aber die Wunde der unverstandenen Zurückweisung schwärt tief im Innern, raubt ihm sein Selbstwertgefühl, verhindert jede tiefere Liebesbeziehung und verunsichert ihn. Erst Sara, eine lebenserfahrene sensible Geliebte, spürt intuitiv seine innere Verletzung, die ihrer gemeinsamen Beziehung im Wege steht. Sie bringt ihn - inzwischen ist er 36 Jahre alt - dazu, den Ursachen der einstigen Zurückweisung auf den Grund zu gehen. - Der in Japan außerordentlich erfolgreiche Roman dürfte auch hierzulande nicht nur Murakami-Fans begeistern. In unnachahmlicher Weise verbinden sich in seiner poetischen und zugleich luzid-realistischen Darstellung magische Traumwelten, geheimnisvoll Phantastisches mit einer fesselnden Darstellung realer Erfahrungswelten. Unbedingt zu empfehlen.
Helmer Passon
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Die Pilgerjahres des farblosen Herrn Tazaki
Haruki Murakami
btb (2015)
btb ; 74900
317 S.
kt.