Wenn der Wind singt. Pinball 1973
Als 29-Jähriger hat der später weltberühmte japanische Autor diese beiden kurzen autobiografischen Romane verfasst (1978/79). Es handelt es sich um zwei außergewöhnliche Debüts (der Autor nennt sie im Vorwort "alte Freunde, die er nicht missen
möchte"), die jetzt erstmals in deutscher Übersetzung erscheinen. Bei einem Baseball-Spiel 1971 überkam den Autor einst der Wunsch, einen Roman zu schreiben, obwohl er ist sich dessen bewusst ist, dass ihm jede handwerkliche Voraussetzung fehlt. Acht Jahre später beginnt er tatsächlich zu erzählen. Und seine Gedanken kreisen zunächst um die Frage, wie und was er denn zu erzählen habe. Derek Hartfield ist sein "Säulenheiliger", ein Schriftsteller, der sich 1938 mit einem Regenschirm und einem Hitlerbild in Händen vom Empire State Building zu Tode stürzte, ein in "jeder Hinsicht unproduktiver Autor (...) Sein Stil ist unmöglich, die Handlung völlig wirr, die Themen unreif." (S. 24) Und ihm folgt Murakami offenbar, denn unvermittelt finden wir uns in einem mal skurrilen, mal nachdenklichen, fast philosophisch grübelnden, mal flapsig überdrehten immer amüsanten erfrischend naiv erzählten Szenario. Der zweite (deutlich schwächere) Roman bietet bei leicht erweitertem Personal eine Fortsetzung der Handlung. Allerdings treibt hier der Autor das Geschehen sowohl im sprachlichen Detail wie in der Gesamthandlung noch konsequenter ins Absurde und Groteske-Komische (was nach dem Empfinden des Rezensenten manchmal doch etwas zu angestrengt und manieriert wirkt). Gleichzeitig sind Schwermut und Orientierungslosigkeit sämtlicher Figuren noch ausgeprägter als im ersten Roman. (Übers.: Ursula Gräfe)
Helmer Passon
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Wenn der Wind singt. Pinball 1973
Haruki Murakami
DuMont (2015)
266 S.
fest geb.