Sommer vor den Mauern
Die Gestaltung des Buch-Covers ist vielleicht irreführend: der Stamm einer Birke auf einer Frühlingswiese. Um leicht eingängige Gedichte auf die Schönheit der Natur handelt es sich hier aber überhaupt nicht. Zwar sind eine Reihe von Gedichten unter der Überschrift "Idyllen" zusammengefasst, aber es ist von keiner Harmonie von Mensch und Natur die Rede. "Ich fühle mich kaum noch/ und wuchere dennoch/ über meine Natur hinaus, ein Haufen Laub." Dass die Autorin in Bremen geboren wurde, ist in einigen ihrer Gedichte spürbar. Die "Bremer Stadtmusikanten" werden zitiert. Gedichte tragen Titel wie "Worpswede", "Weyhe" "Tenever" alles im Umland von Bremen bekannte Namen: "Es ist so spät in dieser flachen Gegend - und alles/ protestantisch, sagst du zu mir." Nora Bossong erzählt mit ihren Gedichten immer auch Geschichten, die aber mehrfach gebrochen werden, irgendwo abrupt enden. Man muss dann als Leser den hingeworfenen Faden vielleicht aufnehmen, zu einem möglichen Ende weiterspinnen. Obwohl scheinbar weit weg von religiösen Gedichten, schimmert doch mehrfach christliche, sogar im engen Sinne katholische Geschichte auf ("Tage in Fatìma", "Klosterjahr", Papst Johannes XXIII. ) Dass die Autorin in dieser Edition an keiner Stelle wenigstens kurz vorgestellt wird, ist der einzige kritikwürdige Mangel des Bandes. Nora Bossong - diesen Namen wird man sich merken müssen.
Carl Wilhelm Macke
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Sommer vor den Mauern
Nora Bossong
Hanser (2011)
Edition Lyrik Kabinett ; 18
93 S.
fest geb.