Die Geschmeidigen
Der 1982 geborenen Schriftstellerin ist ein kluges Buch gelungen. In den "Geschmeidigen" verknüpft sie geschickt ihre eigene Biografie mit 28 Begegnungen mit Personen aus Politik und Gesellschaft, die zwischen 1975 und 1985 auf die Welt gekommen sind und von denen einige nun zu den "Bestimmern" in Deutschland gehören; seien es etwa Christian Lindner, Lars Klingbeil oder Daniel Kehlmann. Mit Ausnahme der AfD sind dabei auch alle politischen Parteien des Bundestags in ihrem Buch vertreten. Zentral ist aber nicht der Diskurs mit unterschiedlichen politischen Positionen, sondern das Gemeinsame. Denn diese Generation, die ihre Jugend ab dem Ende der 1980er Jahre verbracht hat, also in jenem wilden Jahrzehnt zwischen dem Ende des Kalten Kriegs und dem Beginn der Kriege gegen den Terrorismus ab 2001, ist für Bossong eine Generation der "Geschmeidigen" - eine Generation von Menschen, die Konflikte scheuen, Konsens suchen, vielleicht manchmal zu glatt und manchmal zu pragmatisch ist. Angesichts der sich auftürmenden gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Probleme nun, in den 2020er Jahren - ist diese Generation nun die richtige, diese Probleme zu lösen? - Bossong ist Schriftstellerin, ihr Buch ist daher weniger eine z.B. psychologische Analyse als literarischer Spaziergang. Das hätte leicht ins Beliebige abgleiten können. Stattdessen beglückt sie die Lesenden mit intelligenten Vignetten und Portraits der von ihr interviewten Menschen. Dass manche Frage dabei unbeantwortet bleiben muss, ja definitive Antworten ausbleiben müssen, versteht sich schon vom Ansatz her. - Allen Büchereien sehr ans Herz gelegt.
Friedrich Röhrer-Ertl
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Die Geschmeidigen
Nora Bossong
Ullstein (2022)
237 Seiten
fest geb.