Zero Zero Zero
Der vor allem durch seinen spektakuläres Anti-Mafia-Buch "Gomorrha" (2006) weltweit bekannt gewordene neapolitanische Autor legt hier eine unglaublich materialreiche Reportage über die Droge Kokain vor. Mit oft geradezu verwirrender Detailversessenheit
beschreibt er die mafiösen Strukturen, Produktion (Kolumbien ...) und Verbreitungswege (Mexiko, USA, Westafrika, Europa ...), gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Auswirkungen der Droge. Er erzählt "Geschichten über Geschichten, von denen ich nicht loskomme. Geschichten von Menschen, Schlächtern wie Opfern" (S. 462). An zahlreichen Beispielen demonstriert er die enorme Macht der Mafiabosse und ihrer rivalisierenden Drogenkartelle, deren unfassbare Brutalität und Effizienz, zugleich auch die Ohnmacht der staatlichen Organe bzw. deren korrupte Verflochtenheit in dieses krakenhafte weltumspannende System. Saviano lebt seit mittlerweile 2310 Tagen im Untergrund, wegen seiner eingeschränkten Bewegungsfreiheit fußt seine Reportage kaum auf unmittelbar eigener Recherche. Insgesamt wirkt das Buch etwas inhomogen. Es hat stark romanhafte Züge, wenn Saviano sich z.B. in das Innenleben eines Drogenbosses versetzt, kommt dann wieder im Stile eines nüchternen Sachbuchs daher. Am erschütterndsten sind die Ausführungen des noch jungen Autors (geb. 1979) in den Passagen, in denen seine Sehnsucht nach einem normalen Leben, ja seine Verzweiflung darüber offenbar wird, was er sich und seiner Familie angetan hat und weiter antut. Sein Eintreten für eine Legalisierung von Kokain ergibt sich für ihn aus der Erkenntnis, dass der Kampf gegen die Drogen letztlich nicht gewonnen werden kann. Mit Nachfrage ist zu rechnen.
Helmer Passon
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Zero Zero Zero
Roberto Saviano
Hanser (2014)
477 S.
fest geb.