Auf Erden sind wir kurz grandios
Angeregt von Roland Barths "Tagebuch der Trauer" beschließt der Erzähler, Briefe an seine Mutter zu schreiben, die zwar noch am Leben, aber Analphabetin ist und die Briefe nie lesen wird. In kurzen, assoziativen Absätzen und in leicht wehmütigem
Ton lässt er ihr gemeinsames Leben in den USA Revue passieren, inklusive Rückblenden in die Vorgeschichte seiner Mutter. Als Siebenjähriger kam er mit ihr und seiner Großmutter aus Vietnam nach Amerika. Doch ihr "amerikanischer Traum" erfüllte sich nicht. Seine Mutter arbeitet ohne Krankenversicherung in einem Nagelstudio. Mit 14 Jahren jobbt er selbst in den Sommerferien auf einer Tabakplantage und lernt dort den Weißen Trevor kennen - und er entdeckt sein Verlangen nach Jungen. - Ocean Vuong ist 1988 in Saigon geboren und lebt in den USA. Für seine Gedichte wurde er mit wichtigen Preisen ausgezeichnet. Auch in seinem ersten Roman spürt man den Dichter. In einer lyrischen Sprache beschwört er poetische Bilder herauf. Er verhandelt die großen Themen wie Liebe, Gewalt, Schmerz und Tod. - Für anspruchsvolle Leser empfehlenswert.
Karin Blank
rezensiert für den Borromäusverein.

Auf Erden sind wir kurz grandios
Ocean Vuong ; aus dem Englischen von Anne-Kristin Mittag
Carl Hanser Verlag (2019)
237 Seiten
fest geb.