Der Zauberer
Der Roman des irischen Schriftstellers Tóibín über den Literaturnobelpreisträger Thomas Mann beginnt in Lübeck. Thomas ist ein 16-jähriger Schüler, der ungern zur Schule geht. Er liebt die Geschichten seiner Mutter aus ihrem Heimatland Brasilien. Der Vater sähe ihn gerne als Nachfolger in der Firma, denn der älteste Sohn Heinrich interessiert sich nur für Literatur. Doch auch Thomas steht nicht der Sinn nach einem Kaufmannsleben. Er möchte ebenfalls Schriftsteller werden. Während eines Aufenthalts in Italien beginnt die Idee eines Familienromans zu reifen, die Buddenbrooks. Nach dem Erfolg des Buches lernt er die junge Katia Pringsheim kennen, die Tochter einer der einflussreichsten Familien Münchens. – Tóbín hält sich in seinem Roman eng an die Biografie Thomas Manns, den einzelnen Kapiteln sind Orte und Jahreszahlen vorangestellt. Er berichtet von den sechs Kindern des Ehepaares und verfolgt die Schaffensperioden der wichtigsten Werke. Mit Sympathie, Respekt und Abstand blickt er in den Kopf des großen deutschen Schriftstellers. Dabei behält er die politische Situation stets im Blick. Er spart weder den Bruderzwist zwischen Heinrich und Thomas noch das zögerliche Wachsen einer klaren Haltung gegen das Naziregime oder die latente Homosexualität des Schriftstellers aus. Am Ende des Romans schlägt Tóbín den Bogen zurück nach Lübeck, wo Thomas Mann die Ehrenbürgerwürde der Stadt erhält. Eine lesenswerte Romanbiografie, nur Kenner/-innen von Thomas Mann erfahren wenig Neues.
Susanne Emschermann
rezensiert für den Borromäusverein.
Der Zauberer
Colm Tóibin ; aus dem Englischen von Giovanni Bandini
Carl Hanser Verlag (2021)
556 Seiten
fest geb.