Intimitäten

Die kalifornische Autorin Katie Kitamura (Jg. 1979, zul. „Trennung“, BP/mp 17/686) hat mit der minimalistischen Sprache und psychologisch genauer Sezierung von Trennung, Trauer, Unbehaustheit und weiblicher Beobachtung der Beziehungen und Gefühle Intimitäten Thema und Tonfall ihres Schreibens gefunden. In diesem Buch ist die namenlose Ich-Erzählerin, nachdem ihr Vater verstarb, als Dolmetscherin am Internationalen Strafgerichtshof aus den USA nach Den Haag gezogen, begegnet dem attraktiven, aber in einer fragwürdigen Ehe steckenden Adriaan und setzt sich auch im Strafprozess des afrikanischen Angeklagten als dessen Dolmetscherin unterschiedlichen „Intimitäten“ aus. Das spurlose Verschwinden Adriaans, die Ambiguität ihrer Tätigkeit und der Welt um sie herum, das Spektrum von Einschüchterung bis Begehren, Kitamura beschreibt dies alles mit subtiler Zurückhaltung, den genauen Blick ihrer Erzählerin stets zwischen allzu großer wie vermiedener Intimität in der Schwebe haltend. Eine Schwebe, die weniger um die literarische Form als vielmehr um die gnadenlose psychologische Durchleuchtung ihrer Figuren eingehalten ist. Die Spannung des Buches entsteht somit nicht über eine Form oder die Handlung, sondern einzig in der (weiblichen) Psychologie. Das mag vielen Leser/-innen nicht genügen für die 219 Seiten des Buches. Eine Empfehlung für Lesekreise, die sich der geschätzten Autorin und ihrem Thema widmen mögen, sei dennoch ausgesprochen. Dieses Buch sollte, der Leitidee von „Intimität“ folgend, nicht allein gelesen werden.

Helmut Krebs

Helmut Krebs

rezensiert für den Borromäusverein.

Intimitäten

Intimitäten

Katie Kitamura ; aus dem Englischen von Kathrin Razum
Hanser (2022)

219 Seiten
fest geb.

MedienNr.: 610625
ISBN 978-3-446-27404-4
9783446274044
ca. 24,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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