Pfaueninsel

Thomas Hettche gilt als ein Autor, der populäre Stoffe intellektuell verpackt, zu klug, sagen manche, um ein richtig spannender Erzähler zu werden. Der neue Roman "Pfaueninsel", auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis 2014 nominiert, belehrt Pfaueninsel uns des Gegenteils. Hettche entführt den Leser auf die kleine Havel-Insel bei Potsdam, eine Enklave, in der sich ein märchenhaftes Paradies entfaltet mit Löwen, Kängurus, exotischen Pflanzen, Königen und Zwergen. Im Kern des Geschehens steht das Liebesdreieck zwischen Christian und dem Schlossfräulein Marie - beides Kleinwüchsige - und dem Neffen des Hofgärtners Gustav. Zugleich geht es um den radikalen Wandel der späthöfischen zur frühmodernen Gesellschaft, um Industrialisierung, um die Beschleunigung der Erfahrung, um Integration und Monstrosität (das "Schauerwort", das uns durch den Roman begleitet), um Fragmente einer modernen Sprache der Liebe, die vor allem von Marie ausgeht, der die Sympathie des Erzählers gehört. Hettche schreibt in einem teils märchenhaften, teils historisierenden Stil, eine Mischung, die aufgeht und den Leser mit aparten Miniaturen über das Leben im langen 19. Jh. belohnt. Ein Liebesroman, ein historischer Roman, eine verwunschene Erzählung aus einer fernen Welt, sehr empfehlenswerte Lektüre.

Michael Braun

Michael Braun

rezensiert für den Borromäusverein.

Pfaueninsel

Pfaueninsel

Thomas Hettche
Kiepenheuer & Witsch (2014)

352 S. : Ill., Kt.
fest geb.

MedienNr.: 408094
ISBN 978-3-462-04599-4
9783462045994
ca. 26,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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