Unsere leeren Herzen
Thomas Hettche, 1964 geboren, hat sich mit "Fahrtenbuch" (2007) und "Totenberg" (2012) auf ein neues Gebiet gewagt, das der intellektuellen Autobiografie. "Unsere leeren Herzen" setzt das Projekt fort. Es sind Essays von wenigen Seiten, keine Selbstporträts, sondern geschliffene Erkundungen seines Metiers, des Erzählens. Hettches Frage ist, was die Literatur kann und was sie soll in einer medial gefluteten, vom Terrorismus bedrohten und von falscher Mystik angewehten Zeit. Der Entleerung der Herzen durch Authentizitätsbehauptungen (wie in Knausgards Alltagsmitschriften) oder Fantasyfluchten (wie in den Egoshooter-Szenen) setzt er ein Erzählen entgegen, welches das Schicksal korrigieren, die Angst bannen und den Trist der Erkenntnis spenden kann. Das beschreibt Hettche unaufgeregt, kurztaktig, vielschichtig an Beispielen aus der antiken, klassischen und modernen Literatur. Empfehlenswert.
Michael Braun
rezensiert für den Borromäusverein.
Unsere leeren Herzen
Thomas Hettche
Kiepenheuer & Witsch (2017)
201 S.
fest geb.