Die Geschichte der Frau
Ein Mann erzählt die Geschichte der Menschheit aus weiblicher Sicht neu - im Zuge der Genderdebatte eine spannende Idee! Über mehr als drei Jahrtausende spannt Zaimoglu den Bogen, von Zippora, der Frau des Moses, bis ins Jahr 1968, in dem die Frauenrechtlerin
Valerie Solanas den Künstler Andy Warhol erschießen wollte. Doch wer sich nicht auskennt in Literatur, Mythologie und Geschichte, wird sich schwer tun, die zahlreichen Anspielungen zu verstehen. Der Roman ist interessant konstruiert, in zehn Kapiteln bekommen unterschiedliche Frauen eine Stimme, Frauen aus der Bibel, aus der Mythologie, real existierende und erfundene Gestalten. Wie hätte die Frau von Judas den Verrat ihres Mannes erlebt? Was treibt die Attentäterin Warhols an? - Die einzelnen Erzählungen sind in sich abgeschlossen. Doch die Sprache ist dermaßen überfrachtet und gestelzt, dass die Lektüre große Anstrengungsbereitschaft und die Geduld eines erfahrenen Lesers braucht. Zaimoglu hat für diesen Roman viel Kritik einstecken müssen (Wie kann ein Mann Frauen eine Stimme geben? Ist das nicht auch eine Form männlicher Dominanz?) und war mit dem Roman 2019 für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert. Bei Nachfrage und in ausgebauten Beständen empfohlen.
Susanne Emschermann
rezensiert für den Borromäusverein.

Die Geschichte der Frau
Feridun Zaimoglu
Kiepenheuer & Witsch (2019)
395 S.
fest geb.