Donnerstags im Café unter den Kirschbäumen
Das Buch eröffnet und schließt in dem kleinen Café Marble unter Kirschbäumen in einem Vorort von Tokio, in dem eine junge Frau an ihrem Stammplatz englische Briefe schreibt – manchmal mit einem Lächeln im Gesicht, manches Mal mit einer Träne.
Hingebungsvoll betrachtet der junge Kellner, der stellvertretend für den „Master“ die Geschäfte führt, diese Person. Und es werden sich weitere Personen in den zwölf Kapiteln anschließen. Alle Kapitel, davon einige in Sydney spielend, tragen wie Tonarten Farbbezeichnungen im Titel und führen in kunstvoller Verkettung über Erzieherinnen, ein älteres Ehepaar, eine Malerin und eine Übersetzerin bis zur imaginären Verschmelzung der Kellner-Figur mit der angebeteten Person (die beide im Stillen füreinander die Anrede Kakoa-San benutzen, nach dem Getränk, das sie bestellt und er ihr bringt). Im Hintergrund durchwebt der besagte „Master“ wie ein Schicksalsmacher das Geschehen, schafft Gelegenheiten und sorgt für kleine Eingriffe, die das Leben der Personen in eine gute Richtung lenken. Der Originaltitel „Zwölf farbige Pastelle“ wäre auch für die deutsche Ausgabe passender gewesen für diese in Tokio wie Sydney spielende Handlung, die den Ort des Cafés transzendiert zur Metapher für die weite Welt – auch außerhalb Japans. Dabei bleibt Aoyama stets ihren Figuren nah, entwirft hübsche, unscheinbare und doch so tief in die Psyche blickende Momente, dass die Kettung von Glück, die diese Geschichten durchzieht, gerade in heutiger Zeit mehr als wohltut. Aoyamas Erzählkunst, bereits auf schöne Weise in ihrem Erstlingsroman „Frau Komachi empfiehlt ein Buch“ (BP/mp 23/987) bewiesen, steigert sich durch die Geschichten, die sie hier zu einem Gespinst der Alltäglichkeit verwebt, auf unglaublich meisterliche Art. Das Buch verzaubert durch seinen poetischen Realismus und liest sich ausnehmend angenehm. Herzliche Empfehlung für alle Bestände.
Helmut Krebs
rezensiert für den Borromäusverein.

Donnerstags im Café unter den Kirschbäumen
Michiko Aoyama ; aus dem Japanischen von Sabine Mangold
Rowohlt Kindler (2024)
185 Seiten : Illustrationen
fest geb.