Unternehmer
Der Vater wollte einmal Ingenieur werden und verdient nun das spärliche "Klimpergeld" für die vierköpfige Familie mit Schrotthandel. Man durchforstet abgewrackte Industrieanlagen nach edlen Metallen, was mitunter höchst gefährlich ist, wie man am Schicksal des kleinen Berti sieht, der einen Arm eingebüßt hat, "als er damals in den rostigen Koloss-Innereien stecken geblieben war." (S. 18) Aber das muss man hinnehmen: "Mein Arm fehlt, weil ein Unternehmen seine Opfer fordert, sagt Berti." (S. 9) Die 13-jährige Tochter Lipa erzählt aus ihrer eigenwillig-selbstbewussten Perspektive über das letzte Jahr dieses seltsamen Unternehmens, über den gefährlichsten aller "Spezialaufträge" in einem Kraftwerk, der ihren Bruder vollends zum Krüppel macht, über ihre erste Liebeserfahrung und die Sorgen der schönen Mutter mit dem vermutlich an Krebs erkrankten Vater. Warum ihre Mutter immer wieder weint, versteht Lipa nicht, denn sie selbst fühlt sich subjektiv wohl, in ihrer Arbeit ernst genommen und wichtig, in Verkennung ihres objektiv trostlosen Schicksals. - Dieser zweite Roman des jungen polnischen Schriftstellers (geb. 1979; 1989 in die BRD umgesiedelt) kann wohl nur als bitterböse Satire verstanden werden, bei der einem freilich das Lachen im Hals stecken bleibt. Obwohl der Roman an genau bezeichneten Orten im Schwarzwald angesiedelt ist, taucht der Leser sprachlich und inhaltlich in eine fremdartig anmutende Kunstwelt ein.
Helmer Passon
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Unternehmer
Matthias Nawrat
Rowohlt (2014)
136 S.
fest geb.