Das Geheimnis der verlorenen Zeit
Kaspar und Waldemar werden im Jahr 1905 mit dem plötzlichen Unfalltod ihres Vaters konfrontiert. Der Gurkenfabrikant und leidenschaftlicher Amateurphysiker stand unmittelbar vor der Entdeckung einer außerordentlichen Theorie in Zusammenhang mit der
Zeit - vergleichbar mit den bahnbrechenden Theorien Einsteins im selben Jahr. Beide Söhne machen sich nun auf die Suche nach dem Geheimnis der verlorenen Zeit. Berichtet wird die Geschichte von Kaspars Enkel Waldemar jr., gefangen in einer Art Zeitblase. Eingebettet ist sie in die Jahre nach dem Ersten Weltkrieg in Wien und den Aufstieg des Nationalsozialismus und Antisemitismus in Österreich sowie die Nachkriegsjahre in den USA. Kaspar, mit Sonja Silbermann verheiratet, arbeitet an der Wiener Universität; Bruder Waldemar schließt sich den Nazis in Berlin an. Kaspar und Sonja emigrieren mit den Kindern in die USA. Waldemar wird Kommandant eines Konzentrationslagers und verschwindet nach dem Krieg scheinbar spurlos, taucht jedoch dank seiner Fähigkeit, die Zeit zu verlassen, immer wieder in verschiedenen Epochen auf. Waldemar jr. geht eine Beziehung ein mit Hildegard Haven, verheiratet mit dem Sektenvorsteher R.P. Haven, der die Zeittheorie als Heilslehre verehrt. So entsteht eine Familiengeschichte über vier Generationen und das ganze 20. Jh. Der Autor mäandert im Zeitenstrom und mit Fortgang der Geschichte verwirren sich die Fäden immer mehr und verlieren sich schließlich im Ungefähren. Eine Erzählung, die sich durch Raum und Zeit windet und dabei nicht immer ganz ernst zu nehmen ist. Für Leser, die dem literarischen Experiment und der weit ausgreifenden Großerzählung (über 700 Seiten) aufgeschlossen sind, durchaus empfohlen. (Übers.: Bernhard Robben)
Wilfried Funke
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Das Geheimnis der verlorenen Zeit
John Wray
Rowohlt (2016)
732 S. : Ill.
fest geb.