Im Wald, im Holzhaus
Schon vor Ausbruch der "Corona-Pandemie" war der Autor aufgrund einer schweren Leukämie-Erkrankung zu einem strengen Quarantäne-Leben gezwungen. In einem Holzhaus am Ufer des Starnberger Sees, begleitet nur von seiner Frau, begann der von der Außenwelt abgeschirmt lebende Autor dann mit dem Verfassen eines langen Gedichtzyklus. Alles, was er in der durch die Erkrankung erzwungenen Isolation erlebt, vor allem sieht und an sich wahrnimmt, übersetzt der Autor in eine Art poetisches Tagebuch: Regen, Sonne, Bäume, Pflanzen, Wind, Gewitter, Wolken, der Duft des morgendlichen Kaffees, Erinnerungen an Freunde und Reisen. Vor seinem absehbaren Lebensende ist er geradezu süchtig nach Wahrnehmungen in dem kleinen, ihm verbliebenen Weltausschnitt. "Mein Herz hofft auf Besserung, und die eingelagerten / Schmerzen der Gürtelrose, die wunden Nerven / in den Fugen der Haut, sollen für immer verschwinden / wie der Borkenkäfer, mit dem ein Gespräch sinnlos ist. / Wie lange dauert Ungeduld?" Gedichtzyklen und Langgedichte zu lesen, erfordert oft viel Geduld von den Lesern. Hier aber hat ein erfahrener Autor eine Form gefunden, die die Lektüre beinahe spannend macht. Von Gedicht zu Gedicht steigt die Neugierde auf den weiteren Verlauf dieser poetischen Chronik eines erzwungenen Lebens in der Quarantäne, weitab von der Welt jenseits vom Wald und vom Holzhaus. Das Lebensende absehbar, wird hier noch einmal eine große Abschiedssinfonie in Worten angestimmt.
Carl Wilhelm Macke
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Im Wald, im Holzhaus
Michael Krüger
Suhrkamp Verlag (2021)
116 Seiten
fest geb.