Moralophobia
In seinem Buch geht der Autor der Behauptung nach, dass es in den vergangenen 500 Jahren immer die Moral mit ihren verbindlichen Normen und Werten war, die die Zukunft der Gesellschaft positiv vorangebracht hat. Die Moral war notwendiger Motor des Fortschritts. Stillstand trat ein, wenn die angebliche "Vernunft" zur Gegenspielerin der Moral erklärt wurde. Natur kennt keine Moral, sondern nur das Recht des Stärkeren. Nietzsche tritt den Feldzug gegen die Moral an. Der bekannte Soziologe Arnold Gehlen rechnet in seinem Buch "Moral und Hypermoral" mit der "Ideologie vom guten Menschen ab". Moral wird zum entbehrlichen kulturellen Überbau und zur sentimentalen Gefühlsregung abgewertet. Wo stehen wir heute? Haben wir verbindliche Wertvorstellungen, um existenzielle Fragen zu beantworten und die Zukunft positiv zu gestalten oder fürchten wir um unsere individuelle Freiheit? Hat der moderne Mensch eine Phobie vor der Moral entwickelt? Huldigen wir erstrangig dem wirtschaftlichen Erfolg und unserem Wohlstand? - Jörg-Uwe Albig, Jahrgang 1960, beschreibt anregend, nie langweilig mit vielen interessanten Details historische Persönlichkeiten und die Moral ihrer Zeit. Die Einteilung in Kapitel erlaubt es, nicht chronologisch zu lesen, sondern je nach Interesse auszuwählen nach Personen und Epochen. Die Zeitsprünge sind pointiert, zeigen Parallelen auf, sind aber nicht immer überzeugend. Trotz kleiner Bedenken, was die Schlussfolgerungen betrifft, ein reizvolles Lesevergnügen, das interessante geschichtliche Einzelheiten und Zusammenhänge vermittelt.
Renate Feldmeyer
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Moralophobia
Jörg-Uwe Albig
Klett-Cotta (2022)
210 Seiten
fest geb.