Das Stockholm-Syndrom und der sadomasochistische Geist des Kapitalismus
"Human Solutions" ist ein mittelständisches Familienunternehmen mit einem ungewöhnlichen Geschäftsmodell: Die Firma, nach eigenen Angaben ein Dienstleister für Waren mit hohem Servicebedarf, hat sich auf Entführungen spezialisiert. Katrin Perger, Familientherapeutin und Beraterin, wird als Coach angeheuert, um die Kundenbindung zu optimieren. Der aktuelle "Kunde", also das Entführungsopfer, ist der schwerreiche Kunstsammler Frido von Sendmühl. Die Geisel wird zur Ware und der Preis, der sich für sie erzielen lässt, das Lösegeld, ist Verhandlungssache. Hier macht sich im routinierten Ablauf ein Problem bemerkbar: Keiner ist bereit, das Lösegeld für den Entführten zu bezahlen. - Grotesk, mit überraschenden Wendungen, bietet der Roman Einblicke in Unternehmensmodelle und ihre Funktionsweisen. Diese werden hinterfragt, genauso wie Management-Techniken und das florierende Business-Coaching-Geschäft. Zitate aus der unvollendeten Diplomarbeit Katrin Pergers mit dem Titel "Das Stockholm-Syndrom und der sadomasochistische Geist des Kapitalismus", aus wissenschaftlichen Arbeiten und Berichten von Entführungsopfern durchbrechen den Handlungsverlauf und sind geschickt platzierte Strukturelemente. Skurril, spannend, empfehlenswert.
Gertrud Plennert
rezensiert für den Borromäusverein.
Das Stockholm-Syndrom und der sadomasochistische Geist des Kapitalismus
Jörg-Uwe Albig
Klett-Cotta (2021)
238 Seiten
fest geb.