Kalte Füße
Francesca Melandri setzt den Ukrainekrieg seit 2022 in Bezug zum Russlandfeldzug 1942. Die Ortsnamen gleichen sich. Damals wie heute sieht sie den totalen Vernichtungskrieg. Der Rückzug der italienischen Armee aus Russland war damals sehr verlustreich
und die Schicksale der "Alpini" haben sich ins kollektive Gedächtnis Italiens eingebrannt. Melandri taucht ein in ihre eigene Familiengeschichte, ihr Vater Franco – obzwar verletzt – gehörte zu denen, die immerhin zurückkamen. Melandri räumt auf mit der Opferrolle, in der sich die italienische Gesellschaft jahrzehntelang eingerichtet hat und beschreibt den sogenannten Russlandfeldzug als rücksichtslosen Angriffskrieg genauso wie seit 2022 Putins Krieg. – Nach dem Bestsellerroman "Alle außer mir" (BP/mp 19/158), in dem sie ein anderes historisches Tabuthema aufgearbeitet hat, nämlich die Kolonialgeschichte Italiens, rechnet Melandri ein weiteres Mal furios mit der Großeltern- und Elterngeneration ab und bleibt dabei doch ganz aktuell im Hier und Jetzt. Ein unbedingt lesenswerter Beitrag zum besseren Verständnis des Ukrainekriegs!
Marion Sedelmayer
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Kalte Füße
Francesca Melandri ; aus dem Italienischen von Esther Hansen
Verlag Klaus Wagenbach (2024)
283 Seiten
fest geb.