Pirasol

Gwendolins unbeschwerte Kindheit währt nur kurze Zeit, bevor ihre musischen, freigeistigen Eltern Opfer des Rassenwahns des 20. Jh. werden. Mithilfe einer entschlossenen, aber spröden Nachbarin überlebt das Mädchen, entbehrt aber Geborgenheit und Pirasol Ansprechpartner. Erbe der Eltern sind die Liebe zur Musik und Literatur, durch die der verlorene Vater präsent bleibt. In umsichtiger Vorsorge konnte dieser seine Tochter noch einem Kameraden empfehlen, der eine berufliche Schule unterhält, wo Gwendolin erwachsen wird und einen wesentlich älteren, wohlhabenden Papierfabrikbesitzer kennenlernt, von dem sie sich ehelichen lässt und die Villa Pirasol bezieht. Das Paar bekommt einen Sohn, der beginnt, die tabuisierte Geschichte seiner Verwandten väterlicherseits zu hinterfragen, da er sich für die Umstände der Zwangsarbeiter während der NS Zeit interessiert. Dieser Tabubruch führt zum unausgesprochenen Bruch zwischen Vater und Sohn, der von da ab gequält und gedemütigt wird. Gwendolin leidet und kann nur hilflos zuschauen, wie ihr Kind sich widrigen Umständen zum Trotz in die Fremde absetzt. Rückblickend wird die Erzählung auf drei Ebenen erzählt: Das Heranwachsen Gwendolins während "der Zeit der Verirrten" (der Nationalsozialismus oder der Zweite Weltkrieg werden nie explizit erwähnt), die Zeit der Ehe und das Zusammensein mit dem Jungen und die Lebensphase als Witwe, in der es Gwendolin schafft, das Erlebte und Erlittene einzuordnen, zu verarbeiten und schließlich Sprache dafür zu finden. - Susan Kreller gelingt es, immer verständlich, stilistisch sensibel, mit feinsinnigen Bildern und hochspannend die Geschichte einer Frau zu entwirren, die für die Geschichte einer Generation, eines Landes und einer Familienstruktur steht, aus der es sich zu befreien galt und gilt. Ein literarisches Kunstwerk, herausragend.

Christine Vornehm

Christine Vornehm

rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Pirasol

Pirasol

Susan Kreller
Berlin-Verl. (2017)

283 S.
fest geb.

MedienNr.: 591380
ISBN 978-3-8270-1341-5
9783827013415
ca. 20,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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Auszeichnung: Roman des Monats