Wir Herrenmenschen
Ein Blick in das erste und das letzte Kapitel des Buches zeigt, dass Bartholomäus Grill, Journalist und ein erfahrener Afrikakenner, aus der linken Ecke der Kapitalismuskritik kommt. Die christliche Mission sieht er ambivalent. Missionare - er nennt sie Seelenfänger - sind ihm meist bloß Helfer der kapitalistischen Ausbeuter. Grill stellt v.a. heraus, wie die deutsche Kolonialverwaltung in Afrika und in Asien die heimische Bevölkerung ausgebeutet und schikaniert hat. Das zu lesen ist erschütternd und beschämend. Andere Aspekte der Kolonialzeit fehlen dagegen weitgehend. Wären Namibia, Kamerun, Togo, Tansania und das östliche Neuguinea sowie das chinesische Tsingtau ohne Kolonialisierung heute noch im "Urzustand"? Probleme hat der Autor mit dem positiven Deutschlandbild, das er bei seinen Reisen in Afrika gefunden hat. Sorgfältig und gewissenhaft behandelt er die Frage des Völkermords anlässlich des Hereroaufstandes. Seine Darstellung ist eine Mischung aus Berichten von persönlichen Begegnungen und historischen Recherchen; sie liest sich gut, auch wenn der ideologische Unterton nervt. Schwarz-Weiß-Fotos, ein Literaturverzeichnis, Indizes und zwei Landkarten bieten hilfreiche Unterstützung.
Bernhard Grabmeyer
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Wir Herrenmenschen
Bartholomäus Grill
Siedler (2019)
299 S. : Ill., Kt.
fest geb.